Vergewaltigung und sexueller Missbrauch in Deutschland, noch immer ein Tabu. Dabei betrifft es viele. 2022 erfasste die Polizei 11.228 Fälle. Und das, obwohl laut einer Dunkelfeld-Studie des Bundeskriminalamtes von 2020 nur etwa jede zehnte Straftat gemeldet wird. 32 Prozent der Opfer zeigen sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung nicht an, aus Angst vor dem belastenden Gerichtsverfahren, in denen häufig Aussage gegen Aussage steht.

Im Anschluss an den Fernsehfilm Sie sagt. Er sagt. von Ferdinand von Schirach gehen die beiden SPIEGEL TV-AutorInnen Sanja Hardinghaus und Gerrit Jöns-Anders in der Back-to-Back-Doku der Frage nach: Wie entsteht Wahrheit im Gerichtssaal?
Eigentlich soll die Strafprozessordnung Richtern helfen, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Dafür vernehmen sie Zeugen, hören Experten an, lassen sich Beweise vorlegen. Doch reicht das? Was, wenn die Beweise kein eindeutiges Bild ergeben? Wie geht ein Richter oder eine Richterin damit um, wenn es im Fall einer vermeintlichen Vergewaltigung keine dritten Zeugen gibt? Wenn am Ende Aussage gegen Aussage steht? Ein Dilemma.
Also »in dubio pro reo«, im Zweifel für den Angeklagten? Fakt ist: Der Richter ist in der Beweiswürdigung frei. Es zählt nur die richterliche Überzeugung, die im Idealfall auch der »objektiven Wahrheit« entspricht. Doch wie oft ist das wirklich der Fall? Wie leicht glauben wir im Zweifel unseren eigenen Vorurteilen? Wie schnell sind wir manipulierbar? Und woran erkennen wir, dass jemand lügt? Das Wissen auch um diese weichen Faktoren macht es Menschen an der Spitze eines Gerichtes schwer, über Schuld oder Unschuld zu entscheiden. Denn mit einem Urteil, das für die Beteiligten schwerwiegende Folgen hat, müssen am Ende auch die Richter leben.