ARD History Das vergessene Fotoalbum der SS

MONTAG, 16.9.2024, 23.35 – 0.20 UHR, ARD

Dr. Stefan Hördler mit Album am Schreibtisch © Thomas Krüger / SPIEGEL TV

Es ist mehr als 80 Jahre alt, zerschlissen, die Seiten locker. Ein Foto-Album. »SS-Erinnerungen« steht auf dem Einband. Darin finden sich 206 Fotos, fast aus­schließlich mit Männern. Sie tragen SS-Uniform, beim Dienst und in der Freizeit. Das Album war viele Jahr­zehnte verschollen.

Der Historiker Dr. Stefan Hördler hat es entdeckt. Der Experte ist erfolgreicher Buch­autor, analysiert seit mehr als 15 Jahren Fotos der NS-Zeit und tritt als Gut­achter in Straf-Prozessen gegen NS-Täter auf. Was ihn aus­zeichnet: Er ist in der Lage sich Hunderte Gesichter zu merken. Eine Fähigkeit, die ihm bei der Entschlüsselung des Albums hilft: Die Bilder sind nicht beschriftet oder datiert, es gibt keine Orts­angaben. Wer sind die Männer darauf? Was ist ihre Geschichte? Einige erkennt er sofort: spätere Mord­spezialisten, KZ-Kommandanten, Schutz­haft­lager­führer. Männer, die in der breiten Öffentlichkeit weit­gehend unbekannt sind, doch ohne die das KZ-System nicht möglich gewesen wäre. In diesem Album, sieht man sie lächelnd, Fuß­ball spielend, stolz posierend, in der Zeit vor ihren Taten. Alle noch mitten in der Aus­bildung des mörderischen Hand­werks. Die Männer bilden Seil­schaften, die das Grauen bald in Europa verteilen und noch Jahr­zehnte nach dem Ende des Dritten Reichs funktionieren werden. Darunter ein späterer Kommandant des KZ Auschwitz, Männer die im KZ Buchenwald in der Genick­schuss­anlage Tausende Menschen ermorden werden und auch der Mann, der Schindlers Liste unter­schreiben wird. 16 SS-Leute, die im KZ Lichtenburg arbeiten, werden später zu KZ-Kommandanten. Aber auch die, deren »Mitarbeit« für den Erhalt der KZ essentiell war, sind zu sehen. Männer, die als SS-Haupt­schar­führer in Positionen tätig waren, die das Funda­ment der KZ bildeten. Wach­leute, Kommando­führer, Block­führer, Arbeits­dienst­führer. Einer von ihnen ist Kurt Erich Schreiber. Ein Mann, der sich der SS anschließt, schon vor der Macht­über­nahme der National­sozialisten. Er arbeitet bis Kriegsende in verschiedenen Konzentrationslagern.

Kurt Erich Schreiber, Jahr­gang 1911 wächst in einem kleinem sächsischen Dorf nahe Leipzig auf. Auf diesen Fotos kann man seinen Werde­gang verfolgen, seine Freunde kennen­lernen; die Bilder zeigen eine typische SS-Karriere und gleich­zeitig ein mittel­deutsches Netz­werk der SS, dass das KZ-System prägen wird. Das Album zeigt die private Seite des Grauens. Stolze junge Männer die feiern und trinken, zu Karneval und an Weih­nachten, SS-Männer bei Paraden und Schieß­übungen – und immer wieder das Konzentrations­lager Lichten­burg in Prettin, im heutigen Sachen-Anhalt, das von 1933 bis 1937 als Männer-KZ genutzt wird.

Stefan Hördler recherchiert akribisch mehr als sechs Jahre, immer geleitet von der Frage, warum diese Männer zu Massen­mördern werden. Der ARD-History Film »Das geheime Foto-Album der SS« dokumentiert exklusiv diese Suche und zeigt erschreckend aktuell, wie schein­bar ganz normale junger Männer zu grausamen Tätern werden. Ein Film über einen Bauern­sohn, der zum Mörder wird.