© Thomas Krüger / SPIEGEL TV
Es ist mehr als 80 Jahre alt, zerschlissen, die Seiten locker. Ein Foto-Album. »SS-Erinnerungen« steht auf dem Einband. Darin finden sich 206 Fotos, fast ausschließlich mit Männern. Sie tragen SS-Uniform, beim Dienst und in der Freizeit. Das Album war viele Jahrzehnte verschollen.
Der Historiker Dr. Stefan Hördler hat es entdeckt. Der Experte ist erfolgreicher Buchautor, analysiert seit mehr als 15 Jahren Fotos der NS-Zeit und tritt als Gutachter in Straf-Prozessen gegen NS-Täter auf. Was ihn auszeichnet: Er ist in der Lage sich Hunderte Gesichter zu merken. Eine Fähigkeit, die ihm bei der Entschlüsselung des Albums hilft: Die Bilder sind nicht beschriftet oder datiert, es gibt keine Ortsangaben. Wer sind die Männer darauf? Was ist ihre Geschichte? Einige erkennt er sofort: spätere Mordspezialisten, KZ-Kommandanten, Schutzhaftlagerführer. Männer, die in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind, doch ohne die das KZ-System nicht möglich gewesen wäre. In diesem Album, sieht man sie lächelnd, Fußball spielend, stolz posierend, in der Zeit vor ihren Taten. Alle noch mitten in der Ausbildung des mörderischen Handwerks. Die Männer bilden Seilschaften, die das Grauen bald in Europa verteilen und noch Jahrzehnte nach dem Ende des Dritten Reichs funktionieren werden. Darunter ein späterer Kommandant des KZ Auschwitz, Männer die im KZ Buchenwald in der Genickschussanlage Tausende Menschen ermorden werden und auch der Mann, der Schindlers Liste unterschreiben wird. 16 SS-Leute, die im KZ Lichtenburg arbeiten, werden später zu KZ-Kommandanten. Aber auch die, deren »Mitarbeit« für den Erhalt der KZ essentiell war, sind zu sehen. Männer, die als SS-Hauptscharführer in Positionen tätig waren, die das Fundament der KZ bildeten. Wachleute, Kommandoführer, Blockführer, Arbeitsdienstführer. Einer von ihnen ist Kurt Erich Schreiber. Ein Mann, der sich der SS anschließt, schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Er arbeitet bis Kriegsende in verschiedenen Konzentrationslagern.
Dr. Stefan Hördler vor Glaswand© Thomas Krüger / SPIEGEL TV
Dr. Stefan Hördler Motivsuche KZ Lichtenburg© Michael Bader / SPIEGEL TV
Dr. Stefan Hördler vor Glaswand© Thomas Krüger / SPIEGEL TV
Dr. Stefan Hördler vor Glaswand© Thomas Krüger / SPIEGEL TV
Totale Dr. Stefan Hördler an Schreibtisch© Thomas Krüger / SPIEGEL TV Kurt Erich Schreiber, Jahrgang 1911 wächst in einem kleinem sächsischen Dorf nahe Leipzig auf. Auf diesen Fotos kann man seinen Werdegang verfolgen, seine Freunde kennenlernen; die Bilder zeigen eine typische SS-Karriere und gleichzeitig ein mitteldeutsches Netzwerk der SS, dass das KZ-System prägen wird. Das Album zeigt die private Seite des Grauens. Stolze junge Männer die feiern und trinken, zu Karneval und an Weihnachten, SS-Männer bei Paraden und Schießübungen – und immer wieder das Konzentrationslager Lichtenburg in Prettin, im heutigen Sachen-Anhalt, das von 1933 bis 1937 als Männer-KZ genutzt wird.
Stefan Hördler recherchiert akribisch mehr als sechs Jahre, immer geleitet von der Frage, warum diese Männer zu Massenmördern werden. Der ARD-History Film »Das geheime Foto-Album der SS« dokumentiert exklusiv diese Suche und zeigt erschreckend aktuell, wie scheinbar ganz normale junger Männer zu grausamen Tätern werden. Ein Film über einen Bauernsohn, der zum Mörder wird.