ARD Nazijäger – Reise in die Finsternis

SONNTAG, 16. Januar 2022, 21.45 – 23.15 Uhr, ARD

September 1945. Deutsche Kriegs­verbrecher im Visier britischer Soldaten: Die Offiziere, meist Juden, die vor den Nazis aus Deutschland und Österreich geflohen sind, fahnden nach SS-Leuten, KZ-Schergen und Tätern in Nadel­streifen. Die Soldaten, die wenige Wochen nach der britischen Befreiung des KZ-Bergen nach Deutschland kommen, gehen dabei nicht zimperlich vor. Nachdem Hanns Alexander (gespielt von Robin Sondermann) Rudolf Höss, den KZ-Kommandanten von Auschwitz enttarnt, überlebt Höss seine Verhaftung nur knapp. Der Hass unter den Soldaten ist groß – viele haben ihre Familien im Holocaust verloren. Unter den Nazi­jägern ist auch Anton Walter Freud, Enkel des welt­berühmten Psycho­analytikers Sigmund Freu (gespielt von Franz Hartwig). Freud spürt mit dem ihm eignen Beharr­lichkeit den Hamburger Lieferanten von Zyklon B auf und stößt bei seiner Vernehmung mit dem KZ-Kommandanten Pauly auf den Mord an zwanzig Kindern in den letzten Kriegs­tagen im Jahr 1945.

Nazijäger – Reise in die Finsternis erzählt eine der spannendsten Nach­kriegs­geschichten: die Arbeit einer britischen Ermittlungs­einheit, die in Nord­deutschland nach Kriegs­verbrechern sucht, Nazi-Mörder verhaftet, vor Gericht und an den Galgen bringt. Es ist eine Reise in die dunkelsten Abgründe der mensch­lichen Seele, eine für die Haupt­protagonisten zutiefst belastende Aufgabe, die sie an den Rand ihrer psychischen Kräfte bringt.

Franz Hartwig verkörpert Captain Anton Walter Freud, einen Enkel von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse. Er ist 1938 mit seiner Familie aus Wien nach London geflohen. Der 24jährige fällt durch unkonventionellen Ideen auf und hat kein Verhältnis zu Disziplin, doch ab September 1945 ist Freud als Geheimdienstoffizier in der britischen Besatzungszone als Ermittler stationiert, um die Schergen und die Helfer der Täter aufzuspüren. „Alles unscheinbare kleine Leute“, wird Freud später sagen, „denen man überall begegnen kann, ohne zu ahnen, was sie getan haben.“ Freuds Ziel ist nicht Rache, sondern Gerechtigkeit.

Im Team lernt er Hanns Alexander kennen. Robin Sondermann spielt den Sohn eines Berliner Arztes. Er ist ebenfalls vor den Nazis nach England geflohen und 1945 als britischer Offizier nach Deutschland zurückgekehrt. In Bergen-Belsen hat er das Grauen gesehen, das die Nazis hinterlassen haben und ist schockiert über die Kaltblütigkeit der gefangenen genommenen Aufseher und SS-Offiziere. Er fahndet vor allem nach Rudolf Höß (Thomas Arnold), dem ehemaligen Kommandanten von Auschwitz, der sich seit Kriegsende in Norddeutschland versteckt. Schließlich gelingt die Verhaftung. Unterstützt wird er von der Nachrichtenoffizierin Vera Atkins (Hannah Ley), die im Verhör dem Organisator des Völkermords das Geständnis entlockt, dass Millionen Menschen in Auschwitz vergast wurden.

Bergen-Belsen hat Hanns Alexander verändert. Er ist nicht länger der sorglose Mann von einst, sondern von einer kaum noch kontrollierbaren Wut erfasst. Das macht ihn zum „Brecher“, ein Ermittlertyp, der auch mit Drohungen operiert und manchmal Grenzen überschreitet – ganz anders als Anton Walter Freud, der zusammen mit Fred Pelican (Konstantin Lindhorst) Dr. Bruno Tesch (Thomas Lawinky) verhaftet, den Geschäftsführer der Hamburger Firma „Tesch & Stabenow“, die das Insektenvernichtungsmittel „Zyklon B“ hergestellt und in die Vernichtungslager – vor allem nach Auschwitz - geliefert hat. Die Beweise sind erdrückend, Tesch wird 1946 vor ein britisches Gericht gestellt und zum Tode verurteilt.

Überlebende Häftlinge aus dem KZ Neuengamme haben den Ermittlern erzählt, dass kurz vor Kriegsende zwanzig Kinder nachts mit einem LKW aus dem Lager gebracht worden sind. Unter ihnen war der erst sieben Jahre alte Sergio de Simone aus Italien. Zusammen mit seiner Mutter und weiteren Familienmitgliedern war er einige Monate zuvor nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden. Gemeinsam mit seinen beiden Cousinen wurde er dort in die Kinderbarracke eingepfercht. Andra und Tatiana Bucci haben das unbegreifliche Grauen überlebt und sich bereit erklärt, das Team von Regisseur Raymond Ley im Sommer 2021 an die Originalschauplätze zu begleiten und sich an ihre Kindheit inmitten des millionenfachen Sterbens zu erinnern. Ein beeindruckendes Ensemble von Kinderdarstellern erweckt die Opfer der Barbarei filmisch zum Leben.

Die Geschichte der zwanzig Kinder, die in Neuengamme zu bestialischen Menschenversuchen missbraucht wurden, wird Anton Walter Freud nicht mehr loslassen. Er ist entschlossen, die ganze Wahrheit herauszufinden. Freud findet Dr. Alfred Trzebinski (Patrick Güldenberg) und verhört ihn. Vom Schicksal der Kinder wisse er nichts, behauptet der KZ-Standortarzt. Doch die Nazijäger erfahren in Verhören von beteiligten SS-Schergen nach und nach die unfassbaren Details. Trzebinski war verantwortlich für die Ermordung der sechs bis zwölf Jahre alten Mädchen und Jungen – auch die des kleinen Sergio de Simone, dem der wunderbare Darsteller Emil Denev ein Gesicht gibt: ein kleiner Mensch, der dem Tod geweiht ist und bis zum Schluss die Hoffnung nicht aufgibt, seine geliebte Mutter wiederzusehen.